Ortsverwaltung Dietersweiler
 
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Ansprache zum diesjährigen Volkstrauertag

15.11.2021

Volkstrauertag 2021 in Dietersweiler

Ansprache, gehalten von Ortsvorsteher Joachim Auer

 

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Vielen Dank, dass Sie sich heute mit uns – mit dem Posaunenchor, Pfarrer Weller, den Ortschaftsräten und mir – die Zeit nehmen und innehalten, um vornehmlich den Opfern der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts zu gedenken, dass diese nicht vergessen sind und wir uns wieder einmal die Zerbrechlichkeit dieser Welt durch Kriege vor Augen führen. Die Klimaveränderung und die Coronapandemie stellen diesbezüglich  neue Herausforderungen  für unser 21.Jhdt. dar.

Der Ablauf der Gedenkfeier sieht nach dieser ersten Begrüßung  das Gedenken an die Kriegsopfer des 20.Jahrhunderts vor mit anschließender Kranzniederlegung durch die beiden Ortschaftsräte  Wolfgang Lutz und Frieder Schuler mit nachfolgender Andacht durch Pfarrer Weller. Danach möchte ich im Rahmen des heutigen  Volkstrauertages im zweiten Teil meiner Ansprache unseren Blick noch etwas  auf die Gegenwart und die Zukunft richten.

Die heutige Gedenkfeier wird wie in den vergangenen Jahren auch musikalisch umrahmt von unserem Posaunenchor unter der Leitung von Herrn Böhringer, wofür ich mich jetzt schon ganz herzlich bedanke, denn ich glaube, dass diese musikalische  Begleitung unsere Gedanken und Gefühle an diesem besonderen Tag sehr gut verstärken  und vertiefen kann.

 1.Teil der Ansprache:  Krieg und Verfolgung

Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger

Volkstrauertag 2021 in Dietersweiler, das heißt in erster Linie wieder gemeinsames Gedenken an die Millionen Opfer in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts  durch die beiden Weltkriege mit  dem unvorstellbaren Grauen des Kriegsgeschehens und der Verfolgung, Ermordung und Vertreibung von Millionen Zivilisten, was dann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im sogenannten Kalten Krieg mit seinem möglichen Kriegspotential  als Drohkulisse seine martialische Fortsetzung fand, Gottseidank nicht mit den befürchteten Auswirkungen eines möglichen atomaren Schlagabtausches.  

Was bedeuten die beiden Weltkriege für unser kleines Dietersweiler ?

43 Dietersweiler Bürger - Söhne, Brüder, Verlobte, Ehemänner – haben im Schrecken des 1. Weltkrieges ihr Leben verloren : in Verdun, an der Somme, in Canny sur Maze vielleicht ,wie mein Großvater am 15.April 1918. – (Der Ortsvorsteher wendet nun seine Rede in Richtung der Gedenktafel mit den Namen der Gefallenen)  Das Sterben in den Schützengräben wurde zu Eurem Alltag, der Gastod zur schleichenden Gefahr, von Granaten und Maschinengewehrsalven zerfetzte Leiber zum fast täglichen Abbild des Schreckens. Und damit wurden gleichzeitig alle Eure Hoffnungen und Träume zunichte gemacht, denn so habt Ihr Euch das noch zuhause bei uns in Dietersweiler vor dem Einrücken, vor der Bahnfahrt an die Front nach Frankreich, nicht vorgestellt. "An Weihnachten sind wir wieder zuhause" , so stand es außen mit Kreide geschrieben auf manchem Zugabteil.

Und all dieses Sterben gipfelte dann einst in einer nichtssagenden Tagesnotiz in der Presse " Im Westen nichts Neues", das zum Titel des von Erich Maria Remarque verfassten Antikriegsromans „ Im Westen nichts Neues „wurde.-  Es sollte  zur Pflichtlektüre für unsere  älteren Schülerinnen und Schüler werden.

Fast die doppelte Anzahl an Gefallenen aus unserem Dietersweiler gab es dann mit 81 gefallenen Dietersweiler Bürgern im 2. Weltkrieg, denn Adolf Hitler wollte ja mit seinen Allmachtsphantasien die Welt erobern, Europa war das Mindeste seiner Forderungen und Wünsche, und unsere Mitbürger waren dazu ausersehen, seinem Größenwahn zu dienen. - Ihr wurdet getäuscht, verführt, missbraucht und dann im wahrsten Sinne des Wortes durch eine Kugel, eine MG-Salve, eine Granate vielleicht aufs Kreuz gelegt. So sind dann diese größenwahnsinnigen Reden Hitlers für Euch Wirklichkeit geworden, auch wieder auf den Schlachtfeldern  in Frankreich, in Stalingrad, in Sibirien. Ihr habt ihn gesehen und am eigenen Körper erlebt ,den totalen Krieg, von dem Göbbels  schwadronierte, Ihr habt ihn gespürt, den totalen Krieg, er hat Euch den Tod gekostet, in Eurem meist erst angefangenen jungen Leben, mit so viel Hoffnung, mit so vielen Erwartungen, mit so viel Liebe für die Zukunft, nach dem Krieg.

Eine Kugel, ein Hinterhalt, ein Granatangriff ließ euch all Eure Träume in Sekundenbruchteilen platzen. Der Tod ist ein jäher Spielverderber ! Und Ihr wart doch noch so voller Hoffnung.

All Eure Namen sollen aber nicht vergeblich hier stehen, denn Euer Tod wie der Tod von den vielen Millionen Menschen, die die beiden Weltkriege gekostet haben, sollen uns als ständige Mahnung dienen, dass sich diese größte Katastrophe in der Menschheitsgeschichte in Zukunft nicht wiederholen mag. Diese Zahlen dürfen wir nie vergessen:

Denn die Endbilanz des Zweiten Weltkriegs brachte es  auf  über 55 Millionen Tote und fast 35 Millionen Kriegsversehrte. Wenn wir dazu noch die über 15 Millionen Toten und 21 Millionen Kriegsversehrte aus dem 1. Weltkrieg hinzuziehen, so haben wir nahezu das Grauen in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts zahlenmäßig erfasst. Und dann habe ich noch nichts gesagt von den über 6 Millionen Toten im Zuge der von den Nazis beschlossenen Endlösung der Judenfrage, die in den Vernichtungslagern umgesetzt wurde: In Auschwitz, Majdanek, Sobibor, Treblinka, Theresienstadt, Buchenwald, Sachsenhausen, Bergen Belsen, Dachau, um nur einige zu nennen. In Bergen Belsen zum Beispiel starb, nein vegetierte 1945 kurz vor der Befreiung die 15jährige Anne Frank mit ihrer Schwester Margot  typhusbefallen in den Tod, oder sollte ich besser sagen sie krepierte einsam und verlassen, verdreckt ,verlaust und zum Skelett abgemagert.

Dies darf nie wieder geschehen, weder in Europa noch in irgendeinem anderen Erdteil dieses Planeten. Dafür stehen auch Eure Namen auf unseren Gedenktafeln: Nie wieder Krieg ! Nie wieder Ausgrenzung und Verfolgung !

Wir hören nun gleich während der Kranzniederlegung vom Posaunenchor gespielt den „guten Kameraden“, dessen Text von Ludwig Uhland 1809 in Tübingen verfasst und von Friedrich Silcher 1825 vertont wurde. Ein guter Kamerad, meine Damen und Herren, Sie können sich das vorstellen, war sehr wichtig in diesen Zeiten, in vielen Fällen auch überlebenswichtig, ein Kamerad, mit dem man sich austauschen konnte, dem man seine Seelennöte mitteilen konnte, der einen trösten und aufbauen konnte, durch Zuhören, durch lange Gespräche, durch sein Lachen, durch seine bloße Anwesenheit. Aber wie schwer muss es gewesen sein, wenn dieser Kamerad einem genommen wurde, durch eine Gewehrkugel vielleicht, wie es in dem Lied heißt.

Wir kommen nun zur Kranzniederlegung und hören vom Posaunenchor gespielt den“ guten Kameraden“.

Es folgt eine kurze Andacht von Pfarrer Weller

2.Teil der Gedenkrede von OV Auer: Blick auf die Gegenwart und die Zukunft

Volkstrauertag heißt, so meine ich, das Gedenken an die Millionen Opfer der beiden Weltkriege nicht zu verlieren, Volkstrauertag heißt aber auch, aus gemachter Erfahrung den kritischen Blick in die Gegenwart und die Zukunft wachzuhalten , heißt die Augen nicht zu verschließen, wie dies im Dritten Reich  überwiegend geschah.

Ein kurzer Blick in die Zeitung  zeigt uns die Problematik dieses Jahrhunderts auf:

So stand am vergangenen Freitag im Schwarzwälder Boten: Die ugandische Klima-Aktivistin Vanessa Nakate hat in Glasgow auf der Weltklimakonferenz  sofortige drastische Maßnahmen gegen die Erderhitzung gefordert.

Zitat. „Wir ertrinken in Versprechen. Aber Versprechen werden das Leiden der Menschen nicht stoppen. Nur sofortige und drastische Maßnahmen werden uns aus dem Abgrund ziehen. Im Jahr 2021 werde der zweitgrößte Anstieg der Emissionen in der Geschichte erwartet.“

Meine Damen und Herren, die Klimaveränderung, die dieses 21.Jahrhundert auch weiter prägen wird, haben wir hautnah auch 2021 in Deutschland an der Ahr gespürt.

 „ Als kurz nach 19:00 Uhr die Flutwelle die historische Marke von 3,21 Meter am Pegel in Altenahr überschreitet, ahnt vor Ort offenbar noch niemand, dass der Pegel in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli alle Rekorde brechen würde. Schon eine Stunde später steht der Pegel bei über 5 Meter. Dann überspülen die Sturzfluten das Messgerät. Erst nach 23 Uhr wird im Landkreis der Katastrophenalarm ausgerufen. Die Hochwasserzentrale schätzt, dass die beschauliche Ahr auf über 7 Meter angeschwollen war. Das ist mehr als das Doppelte vom historischen Höchststand vor fünf Jahren am 2. Juni 2016: Entlang der Ahr im Landkreis Ahrweiler leben rund 56.000 Menschen, von denen 42.000 unmittelbar durch das Hochwassers betroffen wurden. Davon haben mindestens 17.000 unmittelbar Hab und Gut verloren oder stehen vor erheblichen Schäden. Die Flut am 14. Juli reißt mindestens 467 Gebäude mit, darunter mindestens 192 Wohnhäuser. - Geschäfte, Hotels, Fabriken und Werkstätten werden vom Wasser zerstört. Von den 4.200 Gebäuden entlang der Ahr sind geschätzt mehr als 3.000 beschädigt worden. Das sind mehr als 70 Prozent aller Gebäude. “-

Meine Damen und Herren ,  wie werden 2022 die Orte in Deutschland heißen, die als Folge der weltweiten Klimaveränderung in Mitleidenschaft gezogen werden. Wie viele Opfer werden zu beklagen sein, Sachschä-den können ersetzt werden, Menschen nicht. Wir sprechen uns diesbezüglich in einem Jahr beim nächsten Volkstrauertag.

Kommen wir am Schluss meiner Ausführungen zum derzeit wichtigsten Thema, das 57% der deutschen Bevölkerung zur Zeit , laut Politbaro-meter, große Sorgen bereitet. Zu einem Thema, mit dem inzwischen fast alle Nachrichtensendungen im Radio und Fernsehen starten. Natürlich, mit dem Coronavirus ! Volkstrauertag heute sollte auch heißen, der Millionen Opfer durch die Coronapandemie zu gedenken ! Wie sieht denn die weltweite Bilanz bei der Coronapandemie aus, von der wir gerade mit der vierten Welle überspült werden. Die Adventszeit ist  coronabedingt vorgezogen, wir warten zur Zeit nicht auf den vierten Advent, sondern auf die vierte Corona-Welle. Am vergangenen Freitag, den 11.11.21 – und dies ist kein Faschingsscherz - wurden folgende Zahlen veröffentlicht: Weltweit gab es bisher 251 Millionen Infektionen mit dem Coronavirus, daran starben etwas mehr als 5 Millionen Menschen - in Deutschland waren  knapp 5 Millionen Menschen an dem Coronavirus erkrankt, von denen 97.203 Todesfälle bis zum 11.11.21 zu verzeichnen waren. Was über viele Jahrhunderte die Pest war, die die Menschheit in Angst und Schrecken versetzte und erheblich dezimierte, das sind im 21.Jahrhundert Viren und ihre ständigen Mutanten, die unser Leben aus den Fugen geraten lassen. Nur, wir hätten heute wirksame Mittel, um diesem Schrecken einigermaßen wirksam begegnen zu können. Ich stehe kurz vor meiner 3. Impfung. Ist es da nicht auch Anlass, der Trauer Raum zu lassen, wenn sich so viele Menschen wider besseres Wissen dem Impffortschritt verweigern.

Schließen wir also am heutigen Volkstrauertag in unserem Gedenken auch die vielen weltweiten Opfer der Coronapandemie ein und die Menschen, die durch die Folgen der ständig fortschreitenden Klimaerwärmung ihr  Hab und Gut, ihre Heimat verloren haben und sich auf ihrer Flucht in eine ungewisse Zukunft begeben, die für viele auch im Mittelmeer  nach dem Kentern ihres Schlauchbootes mit dem Ertrinken endet.

Sie sehen also, uns gehen die Anlässe für einen Volkstrauertag nicht aus, sie werden eher mehr als weniger !

Was kann ich da noch sagen. Sie wussten ja vielleicht, dass es an einem solchen Tag wie dem heutigen Volkstrauertag vom weltlichen Ortsvorsteher nicht unbedingt eine frohe Botschaft geben kann, dies bleibt Ihrem christlichen Glauben  überlassen, der Sie darin bestärken kann, die Hoffnung nicht aufzugeben. Bei mir persönlich hat sich die Überzeugung herausgebildet, dass dieses Jahrhundert vielleicht das entscheidendste in der Menschheitsgeschichte sein wird, denn wenn uns die Weichenstellung, von der alle reden, in den nächsten Jahrzehnten nicht gelingt, wird unser blauer Planet  recht bald die Farbe wechseln.

Ich bedanke mich für Ihre geduldige Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen einen schönen und nachdenklichen Sonntag.